Keine Gedankenverbrechen in das deutsche Strafrecht
Berlin. (red). 19. Januar 2008/3mnewswire.org/-- Zum Beschluss des Bundeskabinetts über ein "Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten" erklärte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), Harald Baumann-Hasske:
Der Entwurf ist für die ASJ weiterhin inakzeptabel; gegenüber dem Referentenentwurf, der im April 2008 vorgestellt wurde, sind lediglich wenige kosmetische Änderungen zu verzeichnen.
Der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), Haral Baumann-Hasske teilte zum Thema weiter mit:
"1. Der Entwurf missachtet die Grenzen des Strafrechts. Das Strafrecht dient dazu, Handlungen mit Sanktionen zu belegen, die Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens verletzen.
Gedanken und Gesinnungen bleiben für sich genommen straflos, auch wenn sie moralisch verwerflich sind. Die geplanten Tatbestände erfassen für sich genommen vollkommen harmlose Handlungen, etwa den Besuch einer Flugschule, und machen die Strafbarkeit nur noch davon abhängig, dass jemand dabei den Vorsatz hat, später einmal bei einem Anschlag mitzuwirken, einem Anschlag, von dem es noch nichts anderes gibt, als die vagen Vorstellungen des Handelnden. Es genügt sogar bedingter Vorsatz. Das heißt es reicht, wenn jemand bei seinen Flugstunden lediglich die Möglichkeit erwägt, später einmal bei irgendeinem Anschlag mitzuwirken. Das ist nicht weniger als das Gedankenverbrechen ("thoughtcrime") aus Orwells 1984.
2. Der Entwurf missbraucht das Strafrecht für präventivpolizeiliche Zwecke. Es liegt auf der Hand, dass der Anschlagsvorsatz in der Praxis schwer nachzuweisen sein dürfte, wenn jemand Flugstunden nimmt oder einer der zahllosen anderen harmlosen Tätigkeiten nachgeht, die der Entwurf erfasst. Offenbar kommt es dem Entwurf nicht darauf an, Verurteilungen auf der Grundlage der neuen Tatbestände zu ermöglichen. Entscheidend sind vielmehr die geplanten Gesetzesänderungen außerhalb des Strafgesetzbuches, etwa im Ausländerrecht, im Bankenrecht und vor allem in der Strafprozessordnung. Denn dort soll eine Vielzahl problematischer Ermittlungsbefugnisse auf die neuen Tatbestände ausgedehnt werden:
Überwachung der Telekommunikation, großer und kleiner Lauschangriff, Durchsuchungen, Razzien (§ 111 StPO), Untersuchungshaft. Für diese Ermittlungsbefugnisse genügt jeweils schon der Verdacht einer einschlägigen Straftat. Mit dem Verdacht aber, dass ein Flugschüler mit arabischem Namen vielleicht einmal einen Anschlag plant, ist man vergleichsweise schnell bei der Hand.
Damit geht es im Ergebnis darum, Ermittlungsbefugnisse zu gewinnen, um tatsächliche oder vermeintliche Gefahren terroristischer Aktivitäten schon weit im Vorfeld erkennen zu können. Dafür wäre aber das Polizeirecht zuständig und das Recht der Nachrichtendienste. Der Bundesinnenminister versucht, sich zweckwidrig im Strafrecht das zu holen, was er sich im Polizeirecht und für die Nachrichtendienste wünscht – wohl wissend, dass er es dort aus guten Gründen nicht ohne weiteres bekäme.
3. Der Entwurf beruft sich auf vermeintliche Bedürfnisse der Sicherheitsbehörden, die im einzelnen noch nie öffentlich aufgelistet und nachvollziehbar begründet worden sind. Man beruft sich auf Erfahrungen aus dem Vorgehen gegen die Kofferbomber von Köln und die Sauerlandgruppe. Es wird aber nicht einmal der Versuch gemacht darzulegen, inwiefern die geplanten Gesetzesänderungen den Sicherheitsbehörden in jenen Fällen genützt hätten. Es ist auch nicht erkennbar, dass dies der Fall gewesen wäre.
Insbesondere bleibt unbeachtet, dass schon das geltende Strafrecht zahlreiche Tatbestände aufweist, die gefährliche Vorbereitungshandlungen erfassen. Dies nicht nur im Strafgesetzbuch (neben §§ 30, 129 ff. etwa §§ 310, 328), sondern auch in den Nebengesetzen zum Umgang mit Sprengstoffen, Waffen, Giften und Chemikalien.
Diese Nebengesetze bieten auch die rechtliche Handhabe, gegen Personen vorzugehen, die solche Stoffe unbefugt lagern oder verwenden. Die Strafbarkeitslücken, die in der Entwurfsbegründung behauptet werden, sind also zu einem großen Teil gar nicht vorhanden. Und soweit sie vorhanden sind, hat das – wie ausgeführt – gute Gründe."
3mnewswire.org
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