Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zum Schutz von Opfer und Zeugen im Strafverfahren
Berlin. (red). 18. Februar 2009. Die Bundesregierung beschließt einen Gesetzentwurf zum Schutz von Opfer und Zeugen in Strafverfahren. Das teilte das Bundesjustizministerium mit. Auf Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat das Bundeskabinett den Entwurf eines 2. Opferrechtsreformgesetzes beschlossen. Der Vorschlag schließt inhaltlich an frühere Gesetzesänderungen an und verfolgt das Ziel, Opfer und Zeugen von Straftaten noch besser zu schützen und ihre Rechte im Strafverfahren zu erweitern.
"Mit der Reform werden wir Verletzte und Zeugen noch besser vor unnötigen Belastungen im Strafverfahren schützen und ihre Rechte stärken. Das Strafverfahren darf nicht zu einer erneuten Traumatisierung der Opfer führen, sondern es soll zu einer möglichst schonenden Aufarbeitung des Erlebten beitragen. Vor allem für Kinder und Jugendliche und für Opfer schwerer Straftaten trägt der Staat eine besondere Verantwortung.
Künftig werden auch 16- und 17-jährige von speziellen jugendschützenden Vorschriften profitieren. Wir erweitern gleichzeitig die Möglichkeit für Verletzte von Straftaten, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen und einen Anwalt auf Staatskosten beigeordnet zu bekommen. Daneben stellen wir sicher, dass Opfer und Zeugen schon bei der Anzeigeerstattung von Polizei und Staatsanwaltschaft umfassend über ihre Rechte aufgeklärt und auf spezielle Hilfsangebote von Opferhilfeeinrichtungen hingewiesen werden", erläuterte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Der Entwurf knüpft an Verbesserungen für Opfer im Strafverfahren an, die vor allem durch das Opferrechtsreformgesetz vom 1. September 2004 erreicht wurden. Danach müssen beispielsweise mehrfache Vernehmungen, die für das Opfer häufig sehr belastend sind, möglichst vermieden werden. Aber auch der Kreis der Opfer, die zur Nebenklage berechtigt sind, wurde durch das Opferrechtsreformgesetz sowie durch weitere Gesetze immer wieder erweitert. Der heute vorgestellte Gesetzentwurf sieht weitere Verbesserungen in drei zentralen Bereichen vor.
Im Einzelnen
Verbesserungen zum Schutz von Verletzten im Strafverfahren
Im Bereich der Nebenklage und des Opferanwalts orientiert sich der Entwurf durchgängig daran, den besonders schutzbedürftigen Opfern besondere Rechte einzuräumen, um deren Belastungen durch das Strafverfahren abzumildern. Dabei werden Vorschläge des Bundesrates und insbesondere zahlreiche Anregungen von Opferschutzverbänden in ein stimmiges Gesamtkonzept gebündelt. Der Schwere des Delikts und den Folgen wird künftig ein stärkeres Gewicht beigemessen. Im neuen § 395 StPO sollen nun beispielsweise auch Opfern von Zwangsheirat oder sexueller Nötigung die Möglichkeit eingeräumt werden, sich dem Verfahren als Nebenkläger anzuschließen. Auch Opfer von Raub, Erpressung oder anderen Delikten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter sollen in Zukunft nebenklagebefugt sein, wenn sie von schweren Tatfolgen betroffen sind. Daneben wird im neuen § 397a StPO der Kreis derjenigen erweitert, die - unabhängig von ihren wirtschaftlichen Voraussetzungen - Anspruch auf Beiordnung eines kostenlosen Opferanwalts haben.
Flankiert wird diese Neujustierung durch die Neuregelung verfahrensrechtlicher Bestimmungen. So werden zum Beispiel die §§ 397, 406f und 406g StPO deutlich vereinfacht und somit anwenderfreundlicher.
Da jede Rechtsverfolgung die Kenntnis der Rechte voraussetzt, werden in § 406h StPO auch die Informationspflichten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber Verletzten von Straftaten erweitert. Beispielsweise muss schon die Polizei auf die Möglichkeit einer psychosozialen Prozessbegleitung oder andere Unterstützung von Opferhilfeeinrichtungen hinweisen und auf Entschädigungsansprüche oder die Möglichkeit aufmerksam machen, im Adhäsionsverfahren Schadensersatz zu beanspruchen. Zudem werden durch Änderungen in den §§ 138 und 142 StPO die Auswahlmöglichkeiten der Verletzten bei der Wahl eines anwaltlichen Beistand vergrößert.
Eine Ergänzung des § 92 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) zielt darauf ab, es Verletzten zu erleichtern, im europäischen Ausland begangene Straftaten in Deutschland anzuzeigen.
Verbesserungen zum Schutz von Zeugen im Strafverfahren
Die Rechte von Zeugen bei ihrer polizeilichen Vernehmung werden zukünftig in § 163 Absatz 3 StPO eindeutig im Gesetz festgeschrieben. Zudem wird in § 48 StPO die schon bisher allgemein anerkannte staatsbürgerliche Pflicht der Zeugen zum Erscheinen vor Gericht und Staatsanwaltschaft und zur dortigen Aussage gesetzlich normiert. Beide Regelungen führen in der Praxis für alle Beteiligten zu mehr Klarheit.
Die Befugnis zur jederzeitigen Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand - ein Recht, das bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt ist -, wird erstmalig gesetzlich verankert. Zudem wird die Möglichkeit für besonders schutzbedürftige Zeugen, einen anwaltlichen Beistand beigeordnet zu erhalten, sinnvoll erweitert (§ 68b StPO). Flankierend dazu wird geregelt, dass eine die Beiordnung ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft gerichtlich überprüft werden kann. Das für diese und zahlreiche ähnliche Fälle geltende Verfahren wird dabei wesentlich vereinfacht.
Die nach § 68 Absatz 2 StPO für Zeugen bestehende Möglichkeit, in bestimmten Fällen ihren Wohnort nicht angeben zu müssen, wird sachgerecht erweitert. Erstmalig wird festgeschrieben, dass der Zeuge auch im Nachhinein den Austausch seiner Wohnadresse gegen eine andere Anschrift verlangen kann, wenn sich eine Gefährdung erst nach Beendigung seiner Aussage ergibt. Gleichzeitig wird bestimmt, dass die Strafverfolgungsbehörden die Adresse des Zeugen in derartigen Fällen in der gesamten Akte unkenntlich zu machen haben; die Strafverfolgungsbehörden sollen den Zeugen künftig auf diese Befugnisse hinweisen und bei deren Wahrnehmung behilflich sein.
Verbesserungen beim Schutz von jugendlichen Opfern und Zeugen im Strafverfahren
Zur Stärkung der Rechte von jugendlichen Opfern und Zeugen von Straftaten wird die Schutzaltersgrenze in verschiedenen Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes von derzeit 16 auf nunmehr 18 Jahre heraufgesetzt (§ 58a Absatz 1, § 241a Absatz 1, § 247 Satz 2, § 255 Absatz 2 StPO; § 172 GVG). Diese Grenze wird der altersspezifischen Belastungssituation besser gerecht. Sie entspricht zudem der Schutzaltersgrenze, die zahlreichen internationalen Abkommen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zugrunde liegt. Nicht zuletzt wird ein Gleichklang mit der Altersgrenze hergestellt, bis zu der jugendlichen Beschuldigten besonderer Schutz zukommt.
Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Ziel ist es, die parlamentarischen Beratungen noch vor der Sommerpause abzuschließen.
3mnewswire.org
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